Begründung zur Einbringung der Petition Rettet Grinzing – UNESCO Weltkulturerbe vom 11.07.2013
Grinzing hat alle Voraussetzungen, um das Prädikat Weltkulturerbe zu erhalten. Grinzing ist das älteste Weinhauerdorf Österreichs.
Als die Babenberger um die erste Jahrtausendwende die Verwaltung Österreichs übernahmen, war Grinzing schon ein blühendes Weinhauerdorf.
Im Trummelhof, der "Burg im Zentrum von Grinzing", war die Verwaltung des damaligen Österreichs untergebracht. Diese Burg umfasste die heutigen Hausnummern in der Cobenzlgasse Nr. 28, Nr. 30, Nr. 32 und Nr. 34. Unterirdische Fluchtwege gibt es von dieser Burg noch heute in Richtung Heiligenstadt und zur Donau; es soll auch Fluchtwege geben, die bis zum Kahlenberg und Leopoldsberg gegraben wurden. Ein Kreuzungspunkt einiger unterirdischer Wege befindet sich in Heiligenstadt unterhalb der Heiligenstädter Michaelskirche; am Leopoldsberg ist ein Gang 2012 freigelegt worden, der bis nach Klosterneuburg reichen dürfte.
Grinzing ist wegen seiner Bekanntheit für die Einbringung der Petition gewählt worden, jedoch ist die zusammenhängende Kulturlandschaft der ehemaligen Vororte-Dörfer Heiligenstadt, Josefsdorf-Kahlenberg, Kahlenbergerdorf, Leopoldsberg, Nussdorf und Sievering als eine schützenswerte Region anzusehen.
Zwischen Ober St. Veit und dem Leopoldsberg gab es zur Jungsteinzeit schon eindrucksvolle Besiedelungen. Die Mammutjagd der Ureinwohner ist am Nussberg nachgewiesen und im Naturhistorischen Museum durch ein großes Gemälde dokumentiert.
Die Besiedelung unserer Region durch die Kelten hat nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen um 900 v. Chr. begonnen, kann aber schon viel früher eingesetzt haben. In Deutschland sind sie 3000 v. Chr. nachgewiesen.
Die Kelten haben nachweislich am Leopoldsberg eine befestigte Handelsstadt errichtet, in der auch Münzen geprägt wurden.
Die Römer sind annähernd um 16 v. Chr. in unser Siedlungsgebiet einmarschiert. Sie haben ihre Funktion als Schutzmacht der Kelten dazu ausgenützt, einen Raubzug durchzuführen, der bis zur Donau ging.
Die Kelten haben die Römer um Hilfe gebeten, da sie gegen die andrängenden Germanenstämme keinen ausreichenden militärischen Widerstand leisten konnten. Die Römer waren schon 150 Jahre davor Schutzmacht für einige Regionen der Kelten.
Die Römer haben in den heutigen Weinbergen der ehemaligen Vorortedörfer Wiens Wehrmauern in strategischer Absicht errichtet, die bis zum heutigen Tag noch sichtbar sind.
Die Römer haben die Waren, die sie die Donau stromaufwärts mit kleinen Schiffen brachten, im Römerhafen – in Heiligenstadt – ausgeladen und entlang gesicherter Straßen über die Berge gebracht und in der Nähe von St. Andrä Wördern wieder in Schiffe verladen. Die Donau war an vielen Tagen wegen des ausgedehnten Mäanders nicht schiffbar und die Germanenstämme haben den Römern die Waren in der seichten Donau oftmals durch Überfälle geraubt.
Die römischen Pioniertruppen haben entweder gekämpft oder Befestigungsanlagen errichtet. In den Vororte-Dörfern haben sie Häuser aus Bruchsteinen errichtet, die noch heute in einigen Kellern vorhanden sind. Zum Teil stehen die Mauern noch aufrecht bis zum ersten Stock. Durch Aufschüttung wurde das Straßenniveau um einen Stock (ca. vier Meter) erhöht, so dass die heutigen Keller früher ebenerdig angelegt wurden.
Die Vermutung, dass die Römer aus dem Grinzinger Steinbruch Steine gebrochen und Wehrmauern in strategischer Absicht in den Weingärten errichtet haben, ist sehr naheliegend. Vindobona wurde erst 98 nach Chr. begonnen zu bauen. Davor gab es nur auf der Freyung und an der Stelle des nahegelegenen Klosters kleine Niederlassungen. Die Sicherheit der Legionäre musste in den Bergen hinter den hohen Mauern gewährleistet werden, bevor große Truppenkontingente in Vindobona stationiert werden konnten.
In manchen Häusern gibt es drei Stock tiefe Keller, in der Himmelstraße Nr. 3 gibt es einen Rest einer römischen Doppeltoranlage, zu dem zwei Türme gehörten – ein Turm und zwei vermauerte Torbögen. Der Römische Turm, der auf Himmelstraße Nr. 1 stand, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts ca. 1904 abgetragen, um die Straßenbahn zweigleisig nach Grinzing führen zu können.
Im Areal des Grinzinger Kirchengeländes befinden sich im Keller ebenfalls zwei zugemauerte Torbögen aus der Römerzeit.
Nach Abzug des Römischen Militärs blieben pensionierte Legionäre mit ihren Familien zurück sowie die ortsansässige Bevölkerung. Viele zogen sich in den tiefen Kellern und Katakomben zurück, als die Hunnen von den Römern ihre Gebiete übernahmen.
Erst Kaiser Karl I. der Große vertrieb die Hunnen aus unserem Siedlungsgebiet, die sich hinter das Leithagebirge zurückzogen. Einige Angriffe der Hunnen mussten zu späterer Zeit noch abgewehrt werden, bis die Babenberger die Verwaltung Österreichs übernahmen. Zu ihrer Zeit war Grinzing schon längst ein blühendes Weinhauerdorf. Die Landesverwaltung dürfte am Leopoldsberg schon zur Zeit des Hl. Leopold III. gewesen sein.
Die Habsburger haben ihre Verwaltung des damaligen Österreichs im Grinzinger Trummelhof untergebracht. Das war auch der Grund, warum sich viele einflussreiche Adelige in Grinzing ansiedelten, Häuser und Weingärten kauften, um einen Grund zu haben, den Herzog rein zufällig in Grinzing zu treffen. Auch waren bis zu 50 Klöster in Grinzing und in den anderen Vororte-Dörfern begütert, um einen Anteil des edlen Weins verkaufen zu können.
Der Umstand, dass viele Adelige, Klöster und reiche Bürger in Grinzing Häuser errichteten, schlägt sich in den massiven Bauwerken nieder, die bis heute durch ihre Mächtigkeit als Herrschaftshäuser erkennbar sind.
In einigen Chroniken wird berichtet, dass während der 2. Türkenbelagerung 1683 Grinzing vollkommen zerstört wurde, das entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Nur ein Teil der Gebäude wurden durch Brand zerstört, in etlichen Häusern gibt es noch original Renaissancetüren und -türschnallen.
Die Türken hatten sich in Grinzing verschanzt und die kaiserlichen Truppen haben Grinzing im Sturm genommen. Die Kanonen, die für die Zerstörung erforderlich gewesen wären, sind erst um 12 Uhr über das Kahlengebirge transportiert worden, da waren die Vororte Kahlenbergerdorf, Nußdorf, Heiligenstadt, Grinzing und Sievering schon im Häuserkampf eingenommen worden. Die Entscheidungsschlacht wurde in den Vororte-Dörfern des 19. Bezirks abgewickelt. König Sobieski ist erst um 14 Uhr in die Kampfhandlungen eingetreten, da war die Vorhut der Kaiserlichen schon vor den Toren der belagerten Stadt.
Heuer im Jahr 2013 begehen wir das 330jährige Jubiläum der Entscheidungsschlacht gegen das Osmanische Heer: die Entscheidung der schweren Kämpfe, deren Ausgang nicht vorhersehbar war, wurde in den Weinbergen der Vororte-Dörfer herbeigeführt. Erst nachdem die Weingärten von den Osmanen gesäubert wurden, zogen sich diese in die befestigten Vororte-Dörfer zurück, die sie tatkräftig verteidigten. Annähernd um 12 Uhr wurden diese Dörfer von den Kaiserlichen im Sturm genommen und die Verteidiger – zumeist – Rumänen niedergemetzelt.
In allen Vorortedörfern, die in der Petition namhaft gemacht wurden, gibt es Mauern in den Häusern, die bis zur Römerzeit zurückgehen. Die nachfolgenden Baustile, wie Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Biedermeier, Heimat- und Jugendstil, sind ausreichend vorhanden, denn auch diese müssen erfasst und dokumentiert werden. Des Weiteren haben bedeutende Architekten in der Zwischenkriegszeit in unserer Region Bauwerke errichtet, die bedeutend und schützenswert sind.
Viele In- und Ausländer glauben, dass Grinzing schon längst das Prädikat Weltkulturerbe hat und sind völlig überrascht, dass das noch nicht der Fall ist! Die Bekanntheit von Grinzing, die durch Musik und viele Filme auf der ganzen Welt verbreitet wurde, trägt erheblich zum einmaligen Gesamtbild bei.
Alleine durch die Tatsache, dass Beethoven, Schubert und Mozart, die in Grinzing gewirkt und auch auf der Grinzinger Kirchenorgel gespielt haben, ist als kulturelles Großereignis anzusehen und wirkt nachhaltig.
Die Kulturlandschaft ist unzählige Male von bedeutenden Künstlern gemalt worden. Schriftsteller haben die von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft überschwänglich beschrieben.
Einstein und viele andere Wissenschaftler haben in Grinzing ihre Inspirationen gehabt, Sigmund Freud hat die Eingebung von Traum und Wirklichkeit am Bellevue gehabt.
Bedeutende Künstler der Nachkriegszeit haben in Grinzing gewohnt, wie Generalmusikdirektor Karl Böhm, die Familie Hörbiger-Wessely, Curd Jürgens und sehr viele andere mehr.
Staatbesuche endeten oft in zwischenmenschlicher Beziehungen als Folge einer angenehmen Atmosphäre beim Heurigen.
Von den Politikern ist Bundeskanzler Bruno Kreisky ganz besonders hervorzuheben, der gerne und oft mit ausländischen Gästen die Heurigen besucht hat. Er sagte wörtlich "Erst wenn es Grinzing nicht mehr gibt, wissen wir, was wir verloren haben". Er war mit der Verbauungspolitik und Zerstörung der Heurigenkultur des Rathauses niemals einverstanden.
Der Grinzinger Heurige ist auch eine soziale Einrichtung, die Standesunterschiede verschwinden lässt und seit Jahrhunderten Völkerverständigung stattgefunden hat.
Die Region der ehemaligen Vororte-Dörfer muss geschützt werden. Dazu gehören die von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft – Häuser, Weingärten, Wald und Wiesen.
In den Prospekten des Tourismusverbandes Wien wird die Einmaligkeit der in unserer Petition angeführten Landschaft und Dörfer immer wieder hervorgehoben.
Die MA 21 A lobt in einer umfassenden Broschüre in Wort und Bild die einmalige Kulturlandschaft.
"Als einzige Großstadt der Welt verfügt Wien über einen ökonomisch bedeutenden Weinbau innerhalb der Stadtgrenzen. Der Weinbau trägt wesentlich zur kulturelleren Identität Wiens bei und ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor". (Die Broschüre wurde von der MA 21A im Jahre 2008 herausgegeben)
Eine der Bedingungen, um das Prädikat Weltkulturerbe zugesprochen zu bekommen, ist eine kontinuierliche Besiedelung. Die in der Petition genannte Region kann eine Besiedelung seit der Jungsteinzeit nachgewiesen werden.
Bürgermeister Dr. Michael Häupl ist die Verpflichtung gegenüber der UNESCO eingegangen, Kulturgüter zu schützen und alle dafür notwendigen Instrumente, wie Büros, Personal und Geld für Forschungsarbeiten zur Verfügung zu stellen.
Sehr viele Kostbarkeiten schlummern noch unentdeckt, da bis jetzt keine umfassenden Forschungsarbeiten in den Häusern und Höfen durchgeführt wurden. Die Arbeiten, die von freiwillig tätigen Mitgliedern des Komitees Weltkulturebe für Grinzing durchgeführt wurden, geben schon einen erheblichen Einblick in die vorhandenen historischen Bausubstanzen.
Auf Grund vieler Presseartikel, die wegen der großen Bautätigkeit veröffentlicht wurden, die alle die Zerstörung unwiederbringlichen Kulturgutes betrafen, hat Bürgermeister Dr. Michael Häupl den Auftrag für ein Bürgerbeteiligungsverfahren – Leitbild Grinzing gegeben. Mehr als einhundert Grinzinger haben sich zur Mitarbeit bereit erklärt und schon bei der ersten Sitzung im Kreisky Forum ein „Weltkulturerbe für Grinzing“ und die in der Petition genannten ehemaligen Vororte-Dörfer, wie die dazugehörige Weinbaukulturlandschaft des 19. Bezirks verlangt. Der Leitbild Grinzing-Prozess dauerte von 2008 bis zur Präsentation der Ergebnisse im Jänner 2010. Die Endfassung des Mediationsberichtes wurde von den Bürgern nicht angenommen, da er den Wünschen der Bürger nicht entsprach. Auch drei Jahre nach Abschluss des Bürgerbeteiligungsverfahrens ist keine der Forderungen der Bürger umgesetzt worden. Die umgesetzte 30er-Zone wurde in dieser Form abgelehnt.
Wir fordern daher mit dieser Petition die Rechte der Bürger ein, die die Stadt Wien mit der Unterschrift des Bürgermeisters gegenüber der UNESCO eingegangen ist.
Für das Komitee Weltkulturerbe Grinzing:
Michael Lenzenhofer m.p.
Einbringer und Postulant der Petition